Regierungsrats-Kandidierende gingen auf Tuchfühlung mit Senioren

von Gundi Klemm – Solothurner Zeitung – 27.2.2013

Peter Gomm (SP), Birgit Wyss (Grüne), Roland Heim (CVP), Roland Fürst (FDP), Albert Studer (SVP), Esther Gassler (FDP), Hugo Ruf (unabhängig), Remo Ankli (FDP) und Andreas Bühlmann (SP) präsentierten sich den Grauen Panthern.
Graue Panther Die neun Kandidierenden für die Wahl in den Regierungsrat stellten sich den Fragen der Besucher.
Noch lächeln sie von Wahlplakaten und stellen in den Medien ihre Ziele vor. Die Grauen Panther aber wollten die beiden Bewerberinnen und sieben Bewerber im Rahmen eines eigenen Anlasses kennenlernen und auf sich wirken lassen. Die Spielregeln der Präsentation hatte Rolf Steiner, früherer städtischer Schuldirektor, mit allen verabredet. Am Ende der locker und humorvoll gestimmten Veranstaltung gab Ruedi Fasnacht, Präsident der mit einer Delegation teilnehmenden Grauen Panther Olten, unter herzlichem Gelächter aller rund 60 Anwesenden eine heitere Beurteilung ab: «Wir haben hier so gute Kandidierende erlebt, dass wir eigentlich die Zahl der Regierungsratssitze durch eine Volksmotion erhöhen sollten.»

Man kennt die Qualitäten der Kandidaten
Dieses Urteil freute die beiden amtierenden und sich neu bewerbenden Regierungsmitglieder Esther Gassler (FDP) und Peter Gomm (SP) und ihre Mitbewerber Andreas Bühlmann (SP), Roland Fürst und Roland Heim (CVP), Remo Ankli (FDP), Birgit Wyss (Grüne), Albert Studer (SVP) und den parteipolitisch unabhängigen Hugo Ruf. Laut Vorschlag von Rolf Steiner stellten sich in der ersten Runde alle Anwärter gemäss Zufallsprinzip gegenseitig vor. Da sich alle Teilnehmenden in der politischen Arena dieser Tage schon mehrfach begegnet sind, kennt man sich und weiss auch über Eigenheiten und Qualitäten der jeweils vorgestellten Persönlichkeit nette Worte und sogar Wahlempfehlungen zu finden.

Gegenseitige «Schmeichel-Einheiten»
Mit erkälteter Stimme gab Ankli kund, im Hägendorfer Gemeindepräsidenten Studer kaum den typischen SVP-Vertreter sondern eher einen Pragmatiker zu sehen. Andreas Bühlmann beschrieb den gleichfalls in der Kantonsverwaltung tätigen Hugo Ruf, der auch zur Wahl um Oltner Stadtpräsidentenamt antritt. Roland Fürst widmete sich Esther Gassler, die sich beide noch aus ihrer Zeit als Gemeindepräsidien kennen. Gassler schilderte Bühlmann als «bescheiden und gescheit» und vor allem vertraut mit den Tiefen der Staatsfinanzen.
Peter Gomm betrachtete Roland Fürst heiter als «Liebling aller Schwiegermütter», der im politischen Feld seine «Interessen dezidiert zu vertreten weiss». Roland Heim kennt Umweltjuristin Birgit Wyss aus stadträtlicher Tätigkeit und sprach sich dafür aus, dass man sie wählen solle, um die weibliche Präsenz im Regierungsrat zu verstärken. Hugo Ruf wusste nur Schmeichelhaftes über Peter Gomm zu berichten, während Studer anschliessend den Theologen Remo Ankli als «fairen Typ und Sachpolitiker» bezeichnete. Birgit Wyss nahm sich des Gymnasiallehrers Heim an, der kameradschaftlich und beliebt agiere.

Drei-Minuten Selbstvorstellung
Jeder aus der Bewerbergruppe hatte einen besonderen Gegenstand mitgebracht, um sich damit in einer dreiminütigen Selbstvorstellung besonders zu charakterisieren. Bei Wyss war es ein langes Seil, das sie zum wieder trainierten Bergsteigen braucht und ihr die Sicherheit gemeinsamer Fürsorge vermittelt. Obwohl er die Freiheit des Töffahrens liebe, sei er kein Einzelkämpfer, wie er an der erfolgreich gelösten Problematik ums Alterszentrum Gäu ausführte. Heim stimmte eine Ballade zur Gitarrenbegleitung an, und Gomm sagte, dass er auch nach acht Jahren regierungsrätlicher Tätigkeit keinesfalls «die Weisheit mit Löffeln gefressen habe». Am Beispiel ihrer Familie betonte Gassler, dass man auch für die nachfolgende Generation sorgen müsse. Fürst betonte anhand seiner Kamera das nötige Augenmass gegenüber Menschen und Fachfragen. Bühlmann stellte sich als überzeugter Sozialdemokrat aber nicht als Dogmatiker vor. Für Ankli ist seine Arbeit «nah bei den Menschen» wichtig.

AHV-Plus und Parteispenden brannten unter den Nägeln
Fragen aus dem Kreis der Grauen Panther betrafen die AHV-Plus-Initiative, der alle ausser Studer und dem noch nicht entschlossenen Ankli zustimmten. Die wünschbare Offenlegung von Parteispenden bereitete allen bürgerlichen Kandidaten deutlich Bauchweh. Für die Energiewende sprachen sich alle ausser Studer («ich fühlen mich durch Gösgen nicht unsicher») aus und begrüssten die Politik des Bundesrates. Dass den Bildungstechnokraten und der Reformitis im Schulwesen das Handwerk gelegt werden müsse, führte zu breiter Übereinstimmung. Wie schwierig die Lösung in der Asylfrage aussieht, zeigten differenzierte Antworten.

Sie ist die gute Fee und das Grosi des Klassenzimmers

von Andreas Kaufmann – Solothurner Zeitung – 6.2.2013

Senioren helfen im Unterricht mit – eine Idee, die in der Schule Schule machte. Eine von diesen «Schulgrosis» ist Irène Privé-Rickli. Die 68-Jährige ist während einem Morgen pro Woche im Klassenzimmer und hilft den Schülerinnen und Schülern.
«Sie ist die kleine Fee, die immer hilft», sagt die neunjährige Anna. Ein zustimmendes Kichern geht durchs Klassenzimmer. Nun ist die Fee, von der Anna spricht, aber keine Fantasieperson, sondern eine aus Fleisch und Blut: Irène Privé-Rickli. Die zierliche Seniorin schaut jeden Freitagmorgen bei der dritten Klasse im «Hermesbühl» rein. «Ich würde mich selbst aber eher als ‹Gimmerlängmer› bezeichnen», sagt das 68-jährige «Schulgrosi».
Privé assistiert Corinne Kaiser, indem sie Schülern bei aufkommenden Fragen hilft, Aufgaben korrigiert oder Arbeitsgrüppchen übernimmt, um sie zu fördern – wenns in einem Fach hapert, aber auch für jene, die auf der Überholspur sind: «In kleinen Gruppen erreicht mal eher Erfolgserlebnisse als in der ganzen Klasse.»
Ab 2005, als das Vorhaben der hiesigen Grauen Panther, Senioren in den Schulunterricht einzubeziehen langsam Form annahm (siehe Kasten), sei das Thema der Integration noch nicht sehr präsent gewesen, sagt Privé. Inzwischen ist aber nach Einschätzung Privés genau deswegen das individuellere Arbeiten in Gruppen wichtig geworden. Doch es sei gefährlich und falsch anzunehmen, dass damit eine Position ausgefüllt oder ersetzt wird, die von einer Fachperson im Rahmen der integrativen Förderung besetzt werden muss.

«Ein eingespieltes Dream-Team»
Privé arbeitete zuvor unter anderem als Sekretariatsleiterin beim hiesigen Stadttheater und «würde jetzt nichts mehr machen, was ich im Beruf gemacht habe.» Wäre sie zuvor Lehrerin gewesen, so könnte sie sich heute wohl auch nicht als Assistentin unterordnen, findet sie. So oder so – die Chemie stimmt, sind sich Lehrerin und Hilfskraft einig: «Wir sind ein eingespieltes Dream-Team», freut sich Corinne Kaiser. Und Privé macht ihrerseits nichts ohne Absprache mit der Lehrerin.
Wichtig sei für sie, dass man die Lehrperson entlaste: «Es darf nicht zur Beschäftigungstherapie werden.» Ebenfalls gehe es nicht um das Werk eines Gutmenschen: «Ich fühle mich einfach frisch und will aktiv sein. Ich habe die Energie, etwas zu bewirken», sagt Privé, die zudem noch ehrenamtlich als Chauffeuse für ein Frauenhaus arbeitet.

Der «Grosi»-Sonderstatus
Gibt es aber auch Momente, in denen kindlicher Übermut die Seniorin zur Weissglut bringt? «Nein, nie», sagt sie ohne Zögern. Übernimmt man die Funktion der «Oma», so habe man einen Status, der nicht mit direkter Verantwortung zu tun hat, wie sie die Generation dazwischen – also die Eltern oder die Lehrperson – habe. Und der «Grosi»-Einsatz scheint für einige Schüler besonders Sinn zu geben – auch abseits vom Büffeln und Lernen, wenns um sonstige Sorgen der Schüler geht: «Viele Kinder haben ihre Grosseltern in einer anderen Region oder gar in einem anderen Land», erklärt Privé. Eine Lücke, die sie ausfüllt, und die sie gut ausfüllt, wie an den strahlenden Augen der Kinder abzulesen ist.
Auf den Freitagmorgen freuen sie sich stets besonders. «Braucht Ihr Hilfsmaterial?», fragt Corinne Kaiser ihre Klasse. «Wofür?», erschallt es im Schulzimmer, «Wir haben ja Frau Privé.» Dankbarkeit steht auch dem «Schulgrosi» selbst ins Gesicht geschrieben: «Das Arbeiten mit ‹de Chnöpf› ist das Sinnvollste, das ich je gemacht habe – ein Geben und Nehmen, obwohl ich mehr bekomme als ich gebe…»

Die letzten Verfügungen sollen rechtzeitig getroffen werden

von Gundi Klemm – Solothurner Zeitung 10.1.2013

Wer nicht mehr für sich selbst sorgen kann, dem wird ein Vormund vorgesetzt. – © Keystone

Das zu Beginn des Jahres in Kraft getretene Erwachsenenschutzrecht bewegt die Gemüter. Um Klarheit über alle Neuerungen zu schaffen, informierten die beiden Fachpersonen Barbara Hamm-Schulte und Remo Waldner.
Wie wichtig diese Orientierungsveranstaltung über die veränderte Gesetzeslage war, belegte der Zustrom von über 80 Personen zum Informationsanlass der Grauen Panther Solothurn. Wo früher überwiegend von Laien besetzte Vormundschaftskommissionen tätig wurden, wenn ältere Menschen ihr Leben nicht mehr selbstständig führen konnten und etwa eines Vormundes bedurften, sind jetzt seit Jahresbeginn neue Regelungen im Zivilgesetzbuch in Kraft, die vor allem das Selbstbestimmungsrecht stärken sollen.

Sich beraten lassen
Remo Waldner, Sozialarbeiter bei Pro Senectute, erläuterte Schritt für Schritt, wie Anordnungen für eine Zeit ohne klares Bewusstsein zu treffen sind. Er legte den interessiert Zuhörenden ans Herz, in der nun in ihrer Gültigkeit gesetzlich verankerten Patientenverfügung festzuhalten, wie die medizinische Behandlung aussehen soll, sofern man als Patient durch Alter, Krankheit oder Unfall nicht mehr urteilsfähig ist oder seinen Willen nicht äussern kann. Denn darauf stütze sich der ärztliche Behandlungsplan. Zukünftig, so hoffte Waldner, könne auch ein Vermerk dazu auf der Krankenkassenkarte erfolgen.
Ebenso empfahl Waldner Formulierungen, die alle erwünschten Rahmenbedingungen betreffend den letzten Willen für den eigenen Todesfall beinhalten. Hier riet er, ebenso wie beim Abfassen des Testaments sich Zeit zu nehmen und möglicherweise auch Beratung, die Organisationen wie Pro Senectute kostenlos anbieten, zu beanspruchen. «Für alles, was geklärt ist, sind Angehörige dankbar.»
Übersichtlich gegliedert bietet Pro Senectute eine Gesamtlösung für diese Bestimmungen in Form eines Docupasses an. Hier enthalten sind für den Fall der eigenen Urteilsunfähigkeit auch der Vorsorgeauftrag, der Vertretungspersonen und Vollmachten für die verschiedenen Bereiche wie Personenfürsorge, Vermögen und Rechtsverkehr beinhaltet.

Rechtssicherheit für alle Beteiligten
Die Juristin Barbara Hamm-Schulte, Präsidentin der neu geschaffenen Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Region Solothurn, erläuterte die gesetzlichen Grundlagen, Instrumente, behördliche Massnahmen, die aus der Novellierung des inzwischen hundertjährigen Rechts erwachsen. Der zentrale Punkt für ein Tätigwerden der Behörde ist der Verlust der Urteilsfähigkeit einer Person, womit vernunftgemässe Handlungen ausgeschlossen sind. Hamm-Schulte konzentrierte sich angesichts ihres betagten Publikums auf die Folgen von Schwächezuständen, Schutzbedürftigkeit und einige für den individuellen Fall massgeschneiderte Massnahmen bei älteren Menschen. Wenn ein bereits erteilter Vorsorgeauftrag vorliegt, muss die Behörde nicht tätig werden.
Liegt aber ein persönlicher Antrag auf Unterstützung oder eine Gefährdungsmeldung vor, schaltet die KESB Mitarbeitende der zuständigen Sozialregion ein. Deren Bericht wird beurteilt unter Einbezug des wichtigen rechtlichen Gehörs des oder der Betroffenen. Der Entscheid über die Hilfe – ob Ernennung eines Beistands oder Aufnahme in eine Institution – wird wieder durch die Sozialregion veranlasst. Diese Massnahmen erfolgen nur dann, wenn keine geeignete Person im Umfeld des urteilsunfähig gewordenen Menschen benannt ist.

Barbara Hamm-Schulte und Remo Waldner informierten. – © Gundi Klemm

Früher wars noch kostenlos
Die Kontrolle von Entscheiden der KESB, die laut Referentin als Fachbehörde im Mehraugenprinzip sorgfältig arbeitet, liegt als Aufsichtsinstanz im Amt für Soziale Sicherheit. Für Beschwerden ist das Verwaltungsgericht zuständig. Von zuhörenden Grauen Panthern wurde kritisiert, dass dieses Rechtsmittel neuerdings kostenpflichtig ist. Früher behandelten die Oberämter laut anwesenden ehemaligen Mandatsträgern derartige Eingaben. Zudem hoffe man, dass die neue Behörde im Notfall alle betreuerischen Massnahmen schneller in Gang setze als zu Zeiten der bisherigen Vormundschaftsbehörden.
Dafür verfügt die KESB über einen Pikettdienst, der ausserhalb der Öffnungszeiten via Polizei-Alarmzentrale oder sonst direkt über Telefon 032 627 75 90 erreichbar ist.

SENIOREN IM KLASSENZIMMER

Martin Kaiser – SZ – 1.7.2009

Alles andere als alte Schule
Seit anderthalb Jahren läuft im Kanton Solothurn das Projekt Seniorenhilfe Schule.
«Grosis» unterstützen während einiger Lektionen die Lehrer in ausgewählten Schulen.
Ein Augenschein im Hermesbühl in Solothurn.
Vera: «Sit der sicher, Frou Privé?» – Irène Privé: «Jo, klar bin i sicher».
Vera.» Vera: «Jä heit der d Lehrerin gfrogt, obs stimmt?»
An diese Episode irgendwann im Dezember des vergangenen Jahres kann sich Irène Privé
noch gut erinnern. Sie, 65, hatte ihren ersten Tag als «Grosi im Klassenzimmer» im Hermesbühlschulhaus in der Stadt.
Vera, eine 3.-Klässlerin von Lehrerin und Schulleiterin Corinne Kaiser, liess sich von Privé etwas erklären – und wollte dann genau wissen, ob die Seniorin ihr keinen «Käse» erzählt.

Sie gehört dazu
Damals wie heute kann Irène Privé darüber lachen. Sie habe sich von Beginn an in die Klasse «verliebt», sagt sie an einem der Donnerstagmorgen, an denen sie Corinne Kaiser während zwei Lektionen in Deutsch und Rechnen unterstützt. Irène Privé hört den Schülern beim Lesen zu. Sie hilft ihnen beim Diktat. Sie unterstützt sie beim Lösen von Rechenaufgaben. Sie hat auch auf andere Fragen stets eine Antwort parat. Und die Kinder lesen, schreiben, rechnen und fragen, als ob Privé nicht Seniorin sondern Lehrerin wäre und wie die Schiefertafel seit Jahrzehnten ins Klassenzimmer gehörte.
Der einzige, der fragende Blicke auf sich zieht, ist der dem Unterricht beiwohnende Journalist, der es sich in der hintersten Reihe auf einem, auf 3.-Klässler eingestellten harten Holzstuhl «bequem» gemacht hat.

Keine «alte Schule»
Der Begriff «alte Schule» drängt sich auf, bekommt mit dem Projekt «Seniorenhilfe Schule» aber eine neue Bedeutung. «Alte Schule» sind einzig die Erinnerungen, die Irène Privé an ihre Schulzeit hat. Gute Erinnerungen, wie sie im Gespräch antönt. Erinnerungen, etwa auch an die damaligen Lehrmittel, die zwar anders aussahen, inhaltlich aber in etwa dasselbe vermittelten.
Privé selber aber ist alles andere als «alte Schule». Mit ihrem offenen, modernen Geist und ihrer unkomplizierten und herzlichen Art, wäre sie garantiert eine populäre Lehrerin.
Kaiser hat die Klasse in zwei Gruppen geteilt. Die Kinder sollen, eines nach dem anderen, Buchstaben aneinanderreihen und ein möglichst langes Wort bilden. Irène Privé zieht sich mit ihrer Gruppe ins Nebenzimmer zurück. Zusammen mit den Kindern setzt sie sich auf den
Boden. Die Buchstabiererei beginnt.
Einige Kinder langweilen sich schnell, weil sie im Kopf längst ein langes Wort zusammenbuchstabiert haben. Andere tun sich schwer, einen weiteren Buchstaben zu finden, damit das Wort Sinn macht. Ein Mädchen setzt ein F hinter das Wort
«F E E N S C H L O S S». «Es gibt kein «SF», meint daraufhin ein Junge. «Doch, SF1», kontert ein anderer. Die Kinder kichern. Aber nur kurz. Irène Privé animiert die Dreikäsehochs, mit der Wortbastlerei weiterzufahren.

Ein konstanter Wert
Die 3.Klässler von Corinne Kaiser folgen brav dem Unterricht. Eine ruhige Klasse, scheue Kinder. «Das war von Anfang an so», sagt die Klassenlehrerin. Die Kinder seien lange Zeit zu schüchtern gewesen, die Seniorin überhaupt etwas zu fragen. «Jetzt schätzen sie es aber sehr, dass sie hier ist.»
Aber auch sie schätze Privés Anwesenheit, sagt Corinne Kaiser. Für sie sei das sehr entlastend und für die Kinder sei Iréne Privé mittlerweile eine echte Bezugsperson. Anders etwa als die Studentinnen, die ihre Praktika in der Klasse machten. «Die kommen und gehen», sagt Corinne Kaiser. Privé hingegen sei «ein längerer und konstanterer Wert» für die Kinder.
«Du musst sie selber rechnen lassen, sonst bringt ihr das nichts», sagt Irène Privé zu einem Mädchen, welches einem anderen Mädchen die Rechenaufgabe löst. Die Mädchen kichern. Und tun, was die Seniorin sagt. «Frou Privé, aber wie geiht das jetzt?» fragt das Mädchen, welches die Rechenaufgaben nicht selber lösen kann. Irène Privé erklärt es ihr – und das
Zahlenwirrwarr im Kopf des Mädchens löst sich in null Komma nichts auf.
Dann beendet die Pausenglocke die Arbeit von Irène Privé an diesem Donnerstagmorgen. Die 3.-Klässler von Corinne Kaiser verabschieden sich von ihr. «Bis nöchscht Wuche.» Grosse Pause.
Im Lehrerzimmer sitzen nun auch die beiden anderen Seniorinnen am Tisch, die wie Privé einmal die Woche im Hermesbühl anzutreffen sind. Katharina Hürlimann (72) und Elisabeth Brunner (65). Die beiden helfen im Werkunterricht – Hürlimann in einer 1.Klasse, Brunner in einer 5. und 6.Klasse. Und beide schwärmen vom Projekt, von den Erfahrungen, die sie bisher gemacht haben. «Bei den Schülern kommt das gut an», sagt Elisabeth Brunner. Sie bekämen so schneller Hilfe, wenn sie Unterstützung bräuchten und die Wartezeiten im Unterricht würden sich verkürzen. Zudem sei sie für die Schüler quasi ein «Grosi» – «es ist gut, wenn die Jungen in diesem Alter mit älteren Menschen zu tun haben und sich auch mit ihnen auseinandersetzen müssen », sagt sie.

Neue Herausforderung
Aber auch die Seniorinnen schätzen die Arbeit mit den Kindern. Was die Motivation angeht, beim Projekt «Seniorenhilfe Schule» mitzumachen, so sagt Katharina Hürlimann, die ersten zwei Jahre nach der Pensionierung habe sie erst einmal gar nichts machen wollen. «Dann aber brauchte ich eine neue Herausforderung », sagt sie, und diese habe sie nun gefunden. «Zudem lerne ich etwas dazu», ergänzt Elisabeth Brunner. Für sie sei das Projekt aber keine Beschäftigungstherapie, sagt Irène Privé. «Für mich ist das die sinnvollste ehrenamtliche Tätigkeit, die ich mir vorstellen kann.» Grundsätzlich, sagt sie, sei sie zwar gegen ehrenamtliche Tätigkeiten. «Nicht aber hier, denn hier nehme ich niemandem eine Arbeit weg.»

Generationenprojekt mit Sinn
Das Projekt «Seniorenhilfe Schule» unterstützt nicht nur die Kinder.
Auch für die Senioren selbst macht das Generationenprojekt Sinn.
Während andere Kantone (speziell Zürich) ähnliche Projekte schon vor Jahren erfolgreich lanciert haben, ist das Projekt «Seniorenhilfe Schule» für den Kanton Solothurn noch Neuland. Das Projekt, von Hans Rüd – von den Grauen Panthern angeregt und gemeinsam mit Pro Senectute umgesetzt – hat gleich mehreres im Sinn: Es soll die Lehrer entlasten, den Schülern die Wartezeiten verkürzen, das Unterrichts Geschehen beruhigen und den Senioren Gelegenheiten geben, sich im Alter sinnvoll zu beschäftigen. Nicht zuletzt und vor allem ist es ein Generationenprojekt.
Die Kinder können von der Lebenserfahrung der Senioren profitieren, was wiederum die Beziehung zwischen den Generationen fördert.
Nach einem zweijährigen Pilotversuch im Stadtschulhaus Brühl fiel im Herbst 2007 der eigentliche Startschuss zum Projekt. Heute sind Senioren in den städtischen Schulhäusern Brühl (7), Hermesbühl (3), Vorstadt (4) und Wildbach (eine Seniorin im Kindergarten) tätig; zudem je eine Person an der Primarschule Brunnenthal und am Kindergarten in Deitingen. «Wir bewegen uns jetzt langsam raus aus der Stadt», sagt Hans Rüd dazu. Derzeit ist man mit Schulen in Derendingen und Trimbach in Kontakt; der Kontakt in verschiedenen anderen Gemeinden soll demnächst hergestellt werden.
In der Tat ist es derzeit so, dass sich mehr Senioren für die Seniorenhilfe in der Schule angemeldet haben als es Klassenlehrer gibt, die mit Senioren zusammenarbeiten möchten. Und: Derzeit sind lediglich Seniorinnen an den Schulen tätig – «leider», sagt dazu Erika Huber von der Koordinationsstelle bei der Pro Senectute.
Die Seniorinnen – und künftig hoffentlich auch Senioren – helfen ehrenamtlich.  Pädagogische
Fachkenntnisse und Erfahrungen werden nicht vorausgesetzt. Einzige Voraussetzung ist, dass die Gemeinde für die Senioren eine Haftpflicht- und eine Unfallversicherung übernimmt – und dass die Chemie im Schulzimmer stimmt.                                                                   kai

«Die Kinder und ich schätzen es sehr, dass Irène hier ist.»
Corinne Kaiser, Klassenlehrerin