Durch Mediziner Dieter Breil, Leiter der Memory-Klinik am Kantonsspital in Olten, erlebte die weit über 80-köpfige Zuhörerschaft einen informativen, zugleich lebenspraktisch-humorvollen Vortrag über die verschiedenen Formen von Demenz. Nicht jede Wortfindungsstörung bedeutet gleich Demenz.
Von GUNDI KLEMM
Vermutlich hatte „Nebelgrind“, der Sonntagabend-Film im Schweizer Fernsehen, zusätzlich für ein derart lebhaftes Interesse am Vortragsnachmittag der Grauen Panther gesorgt. Beispielhaft waren in diesem Spielfilm die unterschiedlichen Störungen und Schweregrade sichtbar geworden, die das Leben des an der häufigen Demenzform Alzheimer erkrankten Altbauern beeinträchtigten. Dieter Breil definierte Demenz, die sich zuerst als deutliche Vergesslichkeit bemerkbar macht, aber gleichzeitig verbunden ist mit zusätzlichen Störungen im Erkennen, im Handeln, in der Sprache sowie in Planung, Kontrolle und Ausführung als alltägliches Funktionieren. Bei aktuell rund 100 000 Demenzfällen in der Schweiz, davon 3000 im Kanton Solothurn mit hier rund 700 Neuerkrankungen jährlich, erläuterte der Referent die vielfältigen Ursachen dieser Erkrankung, für die das Risiko im Alter ansteigt. Allerdings, so Breil, seien Zweidrittel der Hundertjährigen kognitiv gesund. Ausgelöst werden könne die Erkrankung von Durchblutungsstörungen im Hirn, durch bakterielle und virale Infektionen, durch Stoffwechselstörungen, ein Uebermass an Alkohol und sogar falsche Medikamentierungen. Nicht zu vergessen seien Tumore und Verletzungen des Hirns wie auch unbehandelte, schwere Depressionen. Eine Heilung von degenerativen Veränderungen und Schrumpfungen im Hirn, die er an Magnetresonanzaufnahmen zeigte, sei zwar nicht möglich, aber mit frühzeitiger Abklärung könne das Befinden wenigstens stabilisiert werden.
Normal oder krank?
Für
alle, die sich unnötig ängstigen, hielt Breil die normale
Altersvergesslichkeit mit ihren kleinen Tücken dem tatsächlichen
Erscheinungsbild der Demenz entgegen. Aus englischsprachigen Forschungen
zu „Activity, Behaviour, Cognition“ übertrug er die üblichen
Ausprägungen der Krankheit auf die Fähigkeiten zur Bewältigung des
täglichen Lebens, zu Verhalten und Emotionen sowie auf das geistige
Leistungsvermögen. „Geistiges Altern ist zwar lästig, aber nicht
behindernd“, tröstete er sein Publikum und erinnerte an die zahlreichen
im Lebensverlauf erworbenen Kompetenzen, die bis ins hohe Alter durch
Uebung erhalten bleiben. „Bis zum Schluss sind wir eine Baustelle“,
meinte er humorvoll und riet, das Leben weiterhin ohne sozialen Rückzug
wahrzunehmen und zu geniessen. Wer eine genetische Demenz-Disposition
vermute, solle lieber auf eine entsprechende Abklärung verzichten, denn
das Ergebnis könne jede Lebensfreude rauben. Stattdessen solle jeder
ältere Mensch seine Werte und „besonders den Blutdruck als
Lebensversicherung“ regelmässig kontrollieren lassen. „Bleiben Sie
einfach lebendig im Fluss, denn Flüsse altern nicht“, lautete sein Rat
für ein gesundes Altern.
© Solothurner Zeitung | Ausgabe vom 23.April 2012